Eine der bizarrsten Mordserien ist jene des Briten John Haigh, einem respektablen, gut gekleideten Mann aus der Mittelschicht mit einem Übermaß an Charme, der Ende der 1940er Jahre mindestens sechs Menschen auf eine Weise tötete, die viele dazu veranlasste, ihn als den "Vampir von London" zu bezeichnen.
Haighs Motiv für seine Verbrechen, die darin bestanden, das Blut seiner Opfer zu trinken bevor er ihre menschlichen Überreste in Säure auflöste, wurden nie eindeutig geklärt. Er selbst behauptete, dass ihn die Ansichten seiner streng religiösen Eltern beeinflussten und ihn in einen psychotischen Geisteszustand versetzten, der von religiösen Opferfantansien geprägt war. Kriminologen gehen jedoch eher davon aus, dass Haighs „Vampir-Opferungen“ daher rühren, dass er mit der Arroganz eines Killers fest daran glaubte, dass es ohne Leiche kein Verbrechen gäbe.
Vorgeschichte
John George Haigh wurde am 24. Juli 1909 in Stamford, Lincolnshire, geboren. Die Familie zog nach Outwood, West Yorkshire, wo Haigh die nächsten 24 Jahre seines Lebens verbrachte. Er wuchs in einem fanatisch religiösen Haushalt auf, in dem häufig auf „den Herrn“ Bezug genommen wurde, um den jungen Haigh daran zu erinnern, dass er immer von einer höheren und missbilligenden Gottheit beobachtet wurde. Haigh selbst behauptete, seine Kindheit sei trostlos und einsam gewesen. Seine einzigen Freunde waren seine Haustiere und der Hund der Nachbarn. Ein hoher Zaun um das Haus, den sein Vater errichtet hatte, hielt neugierige Blicke und die Außenwelt fern. Haighs Eltern gehörten einer religiösen Sekte an, die als „Plymouth Brethren“ bekannt war. Bibelgeschichten waren die einzige Form der Unterhaltung.
Der Wendepunkt in Haighs Entwicklung kam, als er erkannte, dass keine göttliche Strafe drohte, wenn er log oder betrog. Er begann zu glauben, dass er unbesiegbar sei und mit allem davonkommen könne.
1934 besuchte Haigh plötzlich die Kirche seiner Eltern nicht mehr und heiratete Beatrice Hammer, eine 21-jährige Frau, die er kaum kannte. Obwohl sie von Haighs guten Manieren und seinem Charme beeindruckt war, hatte Beatrice keine Vorstellung über seinen Charakter. Als Haigh nur wenige Monate später wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, endete die Ehe bereits wieder. Während er im Gefängnis saß, brachte Beatrice eine kleine Tochter zur Welt, die sie zur Adoption freigab.
Teuflischer Plan
Haighs nächstes Projekt, die Gründung einer Anwaltskanzlei ohne Lizenz, brachte ihm vier Jahre Gefängnis ein. Während seiner Inhaftierung dachte er sich einen neuen Plan aus, um schnell reich zu werden. Seine Idee sah vor, sich an wohlahabende, ältere Frauen ranzumachen. Haigh war sich sicher, dass es nicht zu einer Verurteilung kommen kann, wenn es keine Leiche gibt. Dieser Glaube veranlasste ihn dazu, in der Konservenfabrik des Gefängnisses an Mäusen mit Schwefelsäure zu experimentieren.
Nachdem Haigh entlassen wurde, machte er sich daran, seinen abscheulichen Plan in die Tat umzusetzen. In der Zwischenzeit blieb er bei der befreundeten Familie Stephen und begann eine enge Freundschaft mit einer der Töchter, Barbara, die trotz des Altersunterschieds von 20 Jahren fest daran glaubte, die nächste Frau Haigh zu werden.
Haigh mietete sich unterdessen einen Keller in der Gloucester Road 79, wo er sich eine tödliche „Werkstatt“ einrichtete.
Mordserie
Familie McSwan
In einer Kneipe traf Haigh auf seinen ehemaligen Arbeitgeber „Mac“ McSwan. Während des freundschaftlichen Wiedersehens erzählte er Haigh von den Investitionen in Immobilien, die seine Familie jüngst getätigt hatte. Diese Information sollte das Schicksal der McSwans besiegeln. Nachdem er sich mehrere Wochen mit Mac getroffen hatte, führte Haigh seinen Plan am 9. September 1944 aus. In seinem Tagebuch behauptete er, dass er plötzlich den Drang verspürte, Blut zu trinken. So schlug er McSwan mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf und schlitzte ihm danach die Kehle durch. Später entsorgte er McSwans Leiche in einem Fass voller Schwefelsäure.
Haigh schaffte es, McSwans Eltern davon zu überzeugen, dass ihr Sohn weggegangen war, um der Wehrpflicht zu entgehen. Er schickte ihnen sogar gefälschte Postkarten aus Schottland und gab vor, ihr Sohn zu sein. Haighs Hauptanliegen bestand jedoch darin, den Rest des McSwan-Vermögens zu bekommen. So verschwanden die McSwans am 2. Juli 1945. Sie wurden auf ähnlich tragische Weise wie ihr Sohn getötet.
Nachdem Haigh die Vermieterin der McSwans darüber informiert hatte, dass das Paar nach Amerika gegangen war, ließ er all ihre Post an sich weiterleiten, einschließlich der Pension von Herrn McSwan. So erbeutete er sich ein Vermögen von 6.000 Pfund.
Familie Henderson
Schnell ging Haigh, der spielsüchtig war, das Geld aus – Zeit für neue Opfer. Dieses Mal wählte er ein weltlicheres Paar, Dr. Archibald Henderson, 52, und seine Frau Rose, 41, die ihr Haus verkaufen wollten. Haigh baute eine Beziehung zu dem Paar auf, die auf einer gemeinsamen Leidenschaft für Musik beruhte. Haigh mietete ein Lagerhaus in der Leopold Road in Crawley, London, und begann dort, seine „Werkstatt“ erneut einzurichten. Im Februar 1946 erschoss er das Paar und entsorgte es in Schwefelsäurebädern. Mr. Hendersons Fuß blieb jedoch zurück.
Die Bemühungen, den Eindruck zu bewahren, dass die Hendersons noch am Leben waren, gestalteten sich zeitaufwendig. Haigh fälschte Briefe von Rose Henderson und schrieb einen langen Brief an ihren Bruder. Nachdem er ihre Grundstücke und Besitztümer verkauft hatte, besaß er insgesamt rund 8.000 Pfund.
Mrs. Durand-Deacon
Haighs Geld ging wieder einmal zur Neige, hauptsächlich wegen seiner Spielsucht und der Finanzierung seines Lebens in Luxus – einschließlich eines Aufenthalts in einem gehobenen Hotel. Dort hatte er sich mit einer älteren Dame, Mrs Olive Durand-Deacon, unterhalten, die er des Geldes wegen tötete.
Verhaftung
Obwohl Haigh Durand-Deacon getötet hatte, reichte ihr Vermögen kaum aus, seine Spielschulden zu begleichen. Zusätzlich machte er sich Sorgen, dass Constance Lane, eine Freundin von Durand-Deacon, misstrauisch wegen des Verschwindens der Rentnerin werden könnte. Lane bestand auch tatsächlich darauf, bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Haigh begleitete sie. Dort überprüfte ein Beamter die umfangreiche Akte von Haigh, weshalb sein Hotelzimmer und seine Werkstatt durchsucht wurden. Dort fanden die Ermittler ausreichend Beweise dafür, dass er Durand-Deacon getötet hatte.
Haigh schien keine Reue an seinen Taten zu zeigen und genoss es eher, wie seine grausigen Eskapaden nach und nach enthüllt wurden. Die Säure hatte viele Beweise vernichtet, doch nicht alle. Es wurden Relikte wie kleine Knochen, Gebisse, der Fuß eines Opfers und Gallensteine entdeckt.
Prozess und Verurteilung
Am 18. Juli 1949 strömten viertausend Menschen in die Kleinstadt Lewes, um einen Platz im Gerichtssaal zu ergattern. Haigh hatte kein Geld, um seine Verteidigung zu bezahlen, also schloss die Zeitung "The News of the World" einen Deal mit ihm und bot an, für seinen Anwalt zu bezahlen, wenn er ihnen exklusiv für Interviews zur Verfügung stehe.
Vor Gericht stellte sich die Frage nach Haighs geistiger Gesundheit. Der Psychologe der Verteidigung konnte nicht beweisen, dass Haighs Urteilsvermögen zum Zeitpunkt der Morde beeinträchtigt gewesen war. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass sich Haigh über die Vorteile einer diagnostizierten geistigen Erkrankung, die sich für ihn vor Gericht ergeben würden, informiert hatte, was auf überlegte Handlungen schließen ließ. Die Geschworenen kamen schnell zu einem Ergebnis: Haigh war aller Anklagepunkte schuldig. Der Richter fragte den Angeklagten, ob er etwas zu sagen hätte. Haigh legte den Kopf zur Seite und meinte nur: "Überhaupt nichts". Das Urteil: Tod durch Erhängen.
Das Wachsfigurenkabinett „Madame Tussauds“ fragte nach einem Wachsabguss seines Gesichts, Haigh kam der Bitte gerne nach. Am 6. August 1949 wurde Haigh im Gefängnis von Wandsworth gehängt. Madam Tussauds hat eine Wachsfigur des Killers in das Kabinett aufgenommen, gekleidet in einem Outfit, das er der Institution vermacht hat.