Es war eine kalte Dezembernacht im Jahr 1975. Carol Rofstad jobbte in einem Bekleidungsgeschäft, um etwas Geld für Weihnachten zu verdienen. Als sie alles fertig gemacht hatte, traf sie sich mit einem Freund. Dann ging sie allein nachhause in ihre Studentenverbindung an der Illinois State University.
Die hübsche 21-jährige mit den langen blonden Haaren kam nie dort an. Ihre zu Tode geprügelte Leiche wurde unweit des Delta Zeta Hauses in Normal, im US-Bundesstaat Illinois, gefunden. Daneben wurde laut der Illinois State Police die mutmaßliche Tatwaffe gefunden, ein Stück einer Bahnschiene.
Die Polizei vernahm Personen aus Illinois, untersuchte zahlreiche Hinweise und sammelte viele Kisten voller Akten an. Aber 42 Jahre später bleibt Rofstads Mord weiterhin ungelöst und der Fall liegt laut Lt. Paul Smith vom Illinois Police Department in Normal auf Eis. „Wir befinden uns bei dem Fall in der Warteschleife“, sagt er.
Aber ungelöst bedeutet nicht abgeschlossen, so wie es geschieht, wenn es nicht genügend Beweise dafür gibt, dass ein Verbrechen geschehen ist, so Illinois Police Master Sgt. Matt Boerwinkle. Bei einem ungelösten Fall wurden alle Hinweise, Beweise und Versuche den Täter zu finden ausgeschöpft – eine Festsetzung, „die abhängig von den Umständen innerhalb weniger Tage nach dem Erstbericht bis zu Jahren dauern kann“, sagt er.
Wie viele ungeklärte Kriminalfälle gibt es? Niemand weiß das
Wie viele ungeklärte Kriminalfälle gibt es also in den USA? Das FBI verfolgt die Zahlen nicht, weil die Behörde nur Daten zu speziellen Verbrechen für ihren „Uniform Crime Report“ sammelt, so ein FBI-Sprecher in Washington, D.C. Die staatliche und die örtliche Polizei haben vielleicht ihre eigenen inoffiziellen Zahlen, aber es gibt keine Gesamtzahlen.
Ein Weg, um ein Gefühl für das Ausmaß zu bekommen, ist, auf die ungelösten Morde zu gucken, seit Tötungsdelikte den Großteil der ungeklärten Kriminalfälle ausmachen, so Kenneth Mains, ein Kriminalpolizist und Gründer der „American Investigative Society of Cold Cases“.
Auch diese Statistik wird von keiner Abteilung direkt gesammelt, aber die Anzahl der ungelösten Morde kann anhand der Mordrate und der Aufklärungsquote errechnet werden. Im Ganzen handelt es sich um 71.685 in den letzten zehn Jahren.
Wie ein ungeklärter Kriminalfall wieder aufgenommen wird
Um einen der vielen ungeklärten Fälle wieder zum Leben zu erwecken, brauchen die Ermittler laut Boerwinkle nur eine kleine Pause und die Polizeibeamten sind diejenigen, die den Anruf machen.
Dieser Funke kann von überall her und zu jeder Zeit kommen: ein neuer Tipp, die Nachprüfung eines forensischen Beweises mit neueren wissenschaftlichen Techniken oder das Hochladen eines DNA-Profils in eine Datenbank, die zu einer unerwarteten Übereinstimmung führt, so die Polizei.
Andere Auslöser können der Druck von Familien sein, erneutes Medieninteresse, das zu neuen Hinweisen aus der Bevölkerung führt, Belohnungsgeld, das zuvor zögerliche Quellen lockt oder Detektive, die staubige Akten erneut untersuchen, so die Polizei.
Sogar etwas so einfaches wie das Aufschreiben einer Zeitleiste der Ereignisse und das Aufzeichnen, wie Opfer und Verdächtige miteinander verbunden sind – ein dramatischer Effekt, der gern bei Krimis im Fernsehen genutzt wird – kann neue Erkenntnisse anregen und die Wiederaufnahme einer geschlossenen Akte anfeuern. „Bei Tötungsdelikten erzählt die Akte eine Geschichte“, sagt Kathryn Loving, eine ehemalige Polizisten aus Casper in Wyoming. Sie hat solch eine Technik angewendet. „Es kann sein, dass die Dinge dazu führen, dass man eine Vernehmung machen muss oder dass man eine Zeitleiste ausfüllt, die scheinbar keine Informationen enthält.“
Ein neuer Hinweis kann plötzlich etwas hervorholen, vom Klischee einer Beichte auf dem Sterbebett bis hin zu ungewöhnlichen Szenarien wie schmelzendem Eis, das die Leichen vermisster Personen freigibt oder einem Hund, der einen menschlichen Schädel entdeckt, ein Fall, der derzeit ermittelt wird, laut Jeffrey Vannest von der FBI-Dienststelle in Minneapolis.
Die Suche nach Gerechtigkeit
Einige Polizisten sagen, dass es die Suche nach Gerechtigkeit für das Opfer, die Familie und die Gemeinde ist, was sie ein altes Rätsel weiter verfolgen lässt, selbst wenn weiter tägliche Verbrechen reinkommen, die ihre Aufmerksamkeit erfordern.
„Du willst es für die Familie zum Abschluss bringen und du willst, dass Gerechtigkeit geschieht“, sagt Jim Parks, ein pensionierter Kriminalbeamter aus Norman in Oklohoma. Er kehrte kürzlich in Teilzeit zurück, um die erste Einheit für ungeklärte Fälle der Polizeidienststelle zu leiten. „Du willst nicht, dass sich gewalttätige Personen auf den Straßen herumtreiben. Irgendjemand muss verantwortlich gemacht werden.“
Parks arbeitet daran, herauszufinden, was Owachige Osceola zugestoßen ist. Die 27-jährige Mutter wurde im September 2013 tot in ihrem Zuhause in Norman aufgefunden, nachdem ein Freund entdeckt hatte, dass die Haustür eingetreten war. Ungefähr zehn Monate, nachdem Osceolas lädierte Leiche oben auf dem Boden im Schlafzimmer gefunden worden war, wurde der Fall auf Eis gelegt – die Polizisten fanden keine Hinweise und hatten nicht genügend Beweise, um einen Verdächtigen anzuklagen, sagt Parks.
Vor ein paar Wochen öffnete er die Akte erneut, nachdem die Familie die Belohnung von 2.000 auf 40.000 Dollar erhöht hatte und auf Drängen der ursprünglichen Kripobeamten. „Es quälte sie, dass der Fall nicht gelöst werden konnte“, so Parks. „Sie ärgern sich darüber.“
Eine Ahnung führt zu einer Festnahme und einer Verurteilung
Für die Polizei in Griffin, im US-Bundesstaat Georgia, wurde ein 20 Jahre alter Mordfall wieder aufgenommen, nachdem ein Kripobeamter, der regelmäßig ungeklärte Fälle überprüfte, eine Ahnung zu einem lange vergessenen Shirt hatte, das in einer Kiste mit Beweisen versteckt war. Er beschloss, es erneut zu überprüfen.
Das schwarze T-Shirt gehörte einem Mann, der verdächtigt wurde, seine von ihm getrennt lebende Frau Peggy Stanford und ihren Freund, Philip Leaks, erstochen zu haben. Zur damaligen Zeit des Mordes im Jahr 1994 konnten Labortests kein Blut auf dem Kleidungsstück aufspüren und die Anklage wurde fallen gelassen, erzählt Lt. Mike Morris, ein ehemaliger Kripobeamter aus Griffin, der den Fall bearbeitet hatte.
2013 guckte sich Morris stichprobenartig erneut den Beweis an, reichte das Shirt erneut ein und öffnete den Fall wieder, als das Bundeskriminallabor mit neueren wissenschaftlichen Methoden herausfand, dass sich doch Blut auf dem Shirt befand und das Blut zu Stanford gehörte, sagte er. Dieses Detail bewies den Kripobeamten, dass sich der Ehemann des Opfers doch am Tatort befunden hatte und diese Information führte dazu, dass mehr Befragungen durchgeführt wurden, so Morris.
Die Beamten verkabelten einen Informanten, schickten ihn zu dem Ehemann und hörten, wie er behauptete, dass seine Noch-Ehefrau ihm Geld gestohlen habe, ihn betrogen habe und sterben musste, so Morris. Zwanzig Jahre nach dem Mord wurde Larry Stanford wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt.
Morris war vor allem zufrieden, dass er Peggys Mutter von der Festnahme erzählt hat, obwohl sie starb, bevor der Fall vor Gericht kam. „Ich habe sie im Krankenhaus besucht“, erzählt er. „Das letzte, das sie wollte, bevor sie diese Erde verlässt, war, dass sie weiß, dass Larry dafür ins Gefängnis kommt.“
Diejenigen, die sich mit dem Rofstad-Fall beschäftigen, hoffen auf ein ähnliches Ergebnis. Smith erklärt, dass die Abteilung erst zufrieden ist, wenn sie eine Antwort finden. „Wir schulden es Carol und ihrer Familie, aufzuklären, was ihr passiert ist.“