Am 6. August 1890 wurde der verurteilte Mörder William Kemmler als erster Mensch in der Geschichte auf einem elektrischen Stuhl hingerichtet. Er nahm sein Schicksal mit einem Lächeln an. Kurz bevor der Strom eingeschaltet wurde, sagte er: „Bleibt ruhig und macht es richtig, ich habe es nicht eilig". Doch die Hinrichtung lief alles andere als glatt.
In einem Artikel der New York Times heißt es: „Die Hinrichtung kann nicht einfach als erfolglos bezeichnet werden. Es war so schrecklich, dass Worte es nicht vermitteln können.“ Der Horror dessen, was William Kemmler an diesem Tag widerfuhr, hatte eine grimmige Ironie, denn der elektrische Stuhl war eigentlich als „zivilisiertere“ Alternative zur Hinrichtung durch Erhängen entwickelt worden.
Vorgeschichte: Elektrizität als Hexenwerk?
Ende des 18. Jahrhunderts herrschte in der Bevölkerung große Skepsis vor der Innovation namens Elektrizität.
1881 rief ein Elektrizitätswerk in Buffalo die Bürger dazu auf, die Anlage zu besichtigen, um die Ängste und den Aberglauben der Menschen gegenüber der seltsamen neuen „Magie“ zu zerstreuen. Die Besucher merkten schnell, dass sie ein angenehmes Kribbeln verspüren, wenn sie das Geländer um einen Stromgenerator herum berührten. Dies wurde zu einer inoffiziellen Attraktion.
Ein Unfall mit Folgen
Eines Nachts hatte der stark alkoholisierte George L. Smith ein Verlangen nach diesem Kribbeln. Er brach in das Werk ein und griff übereifrig gleich mit beiden Armen direkt nach dem Generator. Er starb sofort. Für Schaulustige sah es so aus, als wäre Smith sofort und schmerzlos gestorben.
Alfred P. Southwick hatte im Ingenieurswesen gearbeitet, bevor er Zahnarzt wurde, also war Elektrizität nichts Neues für ihn. Der Fall von George L. Smith überzeugte ihn davon, dass Elektrizität für Hinrichtungen genutzt werden könnte. Er begann mit Hilfe eines Arztes namens George Fell brutale Experimente an Hunden durchzuführen, die sie mit Stromschlägen töteten.
Humane Alternative zum Erhängen?
Die Testläufe kamen genau rechtzeitig, denn eine Kommission im US-Bundesstaat New York suchte gerade nach einer „humaneren“ Form für Hinrichtungen, um die „dunkle Ära“ der Erhängungen hinter sich zu lassen.
Das Erschießen galt in den USA als Mittel im militärischen Kontext. Die tödliche Injektion war bereits damals eine Option, doch Ärzte wandten ein, dass Spritzen dadurch in ein negatives Licht gerückt würden und es bereits schwer genug sei, einige Patienten zu einer Injektion zu bewegen. Die Idee des elektrischen Stuhls setzte sich schließlich durch, nicht zuletzt aufgrund der Bemühungen eines bekannten Erfinders: Thomas Edison.
Stromkrieg: Der „Killer“ für Wechselstrom?
Ende des 19. Jahrhunderts tobte in der USA der „Stromkrieg“, in dem der von der Firma Westinghouse erzeugte Wechselstrom mit jener von Edison präferierten Form als Gleichstrom konkurrierte. Immerhin ging es darum, für ein ganzes Land Stromnetze aufzubauen und es zu elektrifizieren. Der Wechselstrom von Westinghouse war effektiver und sicherer, doch Edison wurde nicht müde, der Öffentlichkeit die Gefahr des Wechselstroms auf abscheuliche Art zu demonstrieren. So ließ Edison nicht nur ein Tier vor den Augen von Schaulustigen mit Wechselstrom töten.
Der immer listige Edison sah in dem elektrischen Stuhl eine weitere Möglichkeit, dem Image des Wechselstroms zu schaden. So schlug er vor, die konkurrierende Form der Stromerzeugung für die neue Erfindung zu nutzen. Für den Prototypen nutzten die Angestellten Edisons drei stillgelegte Westinghouse-Generatoren, was Westinghouse dazu veranlasste, vor Gericht zu ziehen – erfolglos.
Edisons Mitarbeiter versuchten sogar, das Wort „westinghoused“ für „hingerichtet werden“ im Sprachgebrauch zu etablieren.
Die erste Hinrichtung: William Kemmler
Am 6. August 1890 sollte William Kemmler – ein Alkoholiker, der seine Freundin in betrunkener Wut mit einer Axt getötet hatte – der erste Mensch werden, der mit einem elektrischen Stuhl hingerichtet wird.
Der Stromschlag schien schnell zum Ziel zu führen, bis entsetzte Zuschauer feststellen mussten, dass Kemmler noch atmete. „Schalte den Strom wieder ein, schnell! Keine Verzögerung!“ schrie der Arzt, der die Hinrichtung beobachtete. Als 2.000 Volt durch Kemmler jagten, explodierten Blutgefäße unter seiner Haut und sein Haar begann zu brennen. „Das Gesicht des Unglücklichen im Stuhl begann zu bluten, wie Schweiß stand es auf dem Gesicht", schrieb ein Journalist. Er führte fort: „Ein schrecklicher Geruch begann die Todeskammer zu durchdringen.“
Westinghouse kommentierte das schauderhafte Geschehen im Nachhinein nur ironisch mit der Aussage, die Hinrichtung mit einer Axt wäre wohl weniger problematisch vonstatten gegangen.
Weitere Anwendung
Trotz dieses beunruhigenden Anfangs wurde der elektrische Stuhl bald in verschiedenen Staaten als bevorzugte Hinrichtungsmethode übernommen. Eine Reihe berüchtigter Mörder hat auf dem Stuhl ihr Ende gefunden, von Leon Czolgosz – der Mann, der 1901 US-Präsident William McKinley erschoss – bis zum Serienmörder Ted Bundy.
Der Stuhl nahm auch der jüngsten Person, die jemals in den USA hingerichtet wurde, das Leben: dem 14-jährigen Afroamerikaner George Stinney, der 1944 des Mordes an zwei weißen Kindern beschuldigt wurde. Stinney wurde ohne physische Beweise zum Tode verurteilt. Er war so klein, dass er auf einer Bibel sitzen musste, um richtig in den elektrischen Stuhl zu passen. Die Maske, die für sein Gesicht zu groß war, rutschte ab, als der tödliche Stromschlag durch das Kind fuhr und seine verheulten Augen zum Vorschein brachte (2014 wurde das Urteil gegen Stinney nach einer erneuten Untersuchung aufgehoben).