Als Eva Habermann bewundernde und schmeichelhafte Fanpost erhielt, in der sie von einem scheinbar älteren Herren penetrant gesiezt wurde, dachte sie sich anfangs nicht viel dabei. Doch als der Absender auf Knien die Zufahrt zu ihrer Hauseinfahrt versperrte, um seine Liebe zu offenbaren, merkte die erfolgreiche Schauspielerin, dass die Zuneigung ihres Fans problematische Züge annahm. Habermanns Erfahrungen mit dem Stalker gingen so weit, dass der damals 21-Jährige zu Weihnachten mit Koffern, Stövchen und Geschenk in ihrem Garten saß und später hinter dem Haus ihrer Wohnung campierte, Sturm klingelte und nachts Steinchen gegen das Fenster warf – bis Habermann wieder bei ihren Eltern einzog. In „Im Angesicht“ berichtet die Akteurin von ihren Erfahrungen und sagt: „Was es in mir ausgelöst hat, ist eine größere Wachsamkeit.“
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In „Im Angesicht“ erzählen Sie vom Albtraum einer jeden Frau: gestalkt zu werden. Was war in Ihren Augen das Schlimmste daran?
Ich war fast ein Jahr lang Opfer eines Stalkers. Ein Mann, der mir zwar physisch nichts angetan hat, aber psychisch. Es handelt sich um Psychoterror, wenn jemand ständig da ist, deinen Müll durchwühlt, dir Briefe schreibt... Selbst wenn du den Briefkasten zuklebst und einen Nachsendeauftrag bei der Post an deine Eltern stellst, hält ihn das nicht ab. Er hat damals Plastikflaschen genommen, dort die Briefe hineingesteckt und diese dann auf meinem Balkon geworfen. Und das täglich! Das heißt: Wenn ich 25 Tage nicht da war, dann lagen dort 25 Flaschen.
Können Sie es sich erklären, warum ausgerechnet Sie zum Stalking-Opfer wurden?
Er war ursprünglich ein Fan von mir, der mir öfter geschrieben hatte. Er hatte eine seltsame altdeutsche Schriftart und ich dachte zunächst, es handle sich um einen älteren Mann. Ich habe anfangs immer nett zurückgeschrieben. Aber das hat er komplett fehlinterpretiert. Er beschloss, dass ich die Frau seines Lebens sei und er, egal was käme, dafür sorgen würde, dass wir ein Paar werden. Er kam aus Sachsen, hatte eine Försterlehre gemacht und hatte – das war das Schlimme – einen Waffenschein.
Wann sind Sie ihm das erste Mal begegnet?
Die erste Begegnung war an Weihnachten 2001. Meine damalige Nachbarin rief mich an und sagte: „Du musst sofort kommen, da ist jemand im Garten, der zu dir will. Und er geht nicht weg.“ Als ich kam, saß er dort mit ein paar Koffern, einem Kofferwagen und einem Stövchen. Und strickte mir einen Schal. Die Nachbarin hatte mich zwar vorgewarnt, aber ich fand es so unheimlich, dass ich gleich die Polizei gerufen habe. Die Polizisten kamen und erklärten ihm, dass dies Hausfriedensbruch und nicht sein Grundstück sei und er dort nicht sitzen könne. Er war 21 Jahre alt, klein und schmal. Er hatte eigentlich nichts Bedrohliches an sich, er wirkte eher verzweifelt. Das Interessante war: Er ging nicht weg! Ich war dann später bei meinen Eltern. Meine Nachbarn hatten irgendwann Mitleid mit ihm und haben ihn vom 24. auf den 25. Dezember bei sich aufgenommen. Er erzählte ihnen, dass ich seine zukünftige Frau sei und wir beide füreinander gemacht wären. Und von diesem Tag an war er tatsächlich jeden Tag da. Jeden! Er war auch sehr gut organisiert. Er hat relativ bald eine Sozialwohnung in Hamburg beantragt und wohnte dann bei mir um die Ecke.
Wann war der Punkt, an dem Sie erstmals dachten: Da stimmt etwas nicht? An diesem Abend, als er im Garten saß, oder schon früher?
Es gab einige auffällige Situationen. Aber natürlich als er das erste Mal bei mir auftauchte, da meine Adresse nicht bekannt war. Ich weiß bis heute nicht, wie er sie herausgefunden hatte. Was so unheimlich war an ihm, war seine Besessenheit und die Tatsache, dass er wie gesagt IMMER da war. Ich kam seinerzeit mit meinem damaligen Freund, Lars Gärtner, vom Presseball zurück. Und dieser Mann stand dann bei mir vor dem Tor und wollte uns nicht hineinlassen. Als ich ausstieg, fiel er vor mir auf die Knie und machte mir einen Heiratsantrag. Lars hat ihn daraufhin zur Seite gezogen und mit ihm eine Art psychologischen Talk geführt: ‚Was machst du hier und was soll das? Du machst Eva keine Freude‘. Er schaute meinen Freund nur komisch an und sagte: „Das ist ja unerträglich.“ Er hat zum Beispiel auch nachts Steine ans Fenster geworfen, als er merkte, dass die Klingel abgestellt war.
Wie haben Sie versucht, dagegen vorzugehen und ihm Einhalt zu gebieten?
Ich hatte mit meinem Anwalt rasch eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt. Wenn ich zum Auto ging, stand er schon auf der Straße, auch wenn er nicht aufs Grundstück kam. Ich habe damals jedes Mal, wenn ich ihn gesehen habe, die Polizei gerufen. Sie haben ihn dann immer mitgenommen, aber es ist so ähnlich, wie wenn jemand besoffen ist und man ihn mit zur Wache zum Ausnüchtern mitnimmt. Fünf Stunden später wird er wieder freigelassen. Und fünf Stunden später kam er tatsächlich jedes Mal wieder schnurstracks zu mir. Wir haben ihm irgendwann einen psychologischen Gutachter vorbeigeschickt, aber selbst dieser meinte: Solange er sich alleine versorgen könne, anderen nichts antue und sich selbst auch nicht, gäbe es keine Handhabe. Es war nicht mehr schön, zu Hause zu sein. Zum Glück wohnte ich nicht weit von meinen Eltern entfernt und war die meiste Zeit dort.
Welches war das schlimmste Erlebnis mit dem Stalker?
Er hat es wirklich übertrieben. Jetzt kommt eine etwas eklige Geschichte: Er hatte eines Tages meinen Mülleimer durchforstet und mir dann stolz berichtet, dass er ein blutiges Tampon gefunden hätte. Und wie schön es doch wäre, dass dies nun in seiner Jackettasche wäre, direkt an seinem Herzen. Das war noch einmal eine Stufe mehr als das davor. Von diesem Zeitpunkt an war ich zum Glück für die Dreharbeiten von „Wilde Engel“ in Köln – und war einfach nicht mehr da. Das war auch meine Methode, damit umzugehen. Denn du kannst einen Stalker nur aushungern, indem er keinerlei Erfolg mehr hat mit dem, was er tut. Interessanterweise hat er mich übrigens immer gesiezt: „Frau Habermann“.
Er hat so oft gegen diese einstweiligen Verfügungen verstoßen, dass er einmal zwei Wochen lang ins Gefängnis kam. Von dort aus schrieb er mir auch Briefe, mit dem Inhalt, dass er das alles für mich auf sich nähme. Er hat nicht verstanden, dass ICH das nicht will...
Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?
Soweit ich weiß sitzt er in der Psychiatrie. Es stand 2013 groß in der Zeitung, dass ein Mann in seiner Wohnung eine Telefonzelle aufgestellt hatte – aus Angst, abgehört zu werden. Er hatte Stacheldraht rund um seine Wohnung und Unmengen an Lebensmitteln gebunkert, um dort mit einer Frau, die er entführt hatte, ein Kind zu zeugen. Dieser Frau gelang es allerdings, als er gerade auf der Toilette war, zu flüchten. Es kam, glaube ich, heraus, dass dies schon die achte Frau war, die er gestalkt hatte. Ein Stalker hat immer ein Muster. Und er macht es immer wieder. Ich habe damals auch versucht, das Thema nicht allzu sehr öffentlich zu machen, da ihn das noch gebauchpinselt hätte: „Ich stehe sogar schon in der Zeitung...“
Warum ist es Ihnen wichtig, in „Im Angesicht“ noch einmal darüber zu sprechen?
Ich möchte zeigen: Stalker sind immer gefährlich und nicht zu unterschätzen. Und man sollte sie wirklich ernst nehmen. Auch wenn die Polizei nicht sofort reagiert, sollte man selbst so weit reagieren, dass man erst einmal zu einer Freundin zieht etc. Häufig sind Stalker auch Ex-Freunde oder Ex-Männer, die dann deutlich mehr Zugang haben. Sie schreiben allen in deiner Firma E-Mails, was du doch für eine Schlampe bist... Das ist mir zwar nicht passiert. Du musst bei einem Stalker aber in jedem Fall alles tun, was Distanz schafft: die Telefonnummer wechseln, erst einmal bei einer Freundin schlafen. Wegziehen ist dann der nächste Schritt. Als ich damals nach Berlin gezogen bin, bin ich gerne dorthin gegangen. Und ganz wichtig: keinen Kontakt, keinerlei Reaktion! Das Gefährliche am Stalker ist auch, dass er nichts zu verlieren hat.
Wie groß ist heute die Angst vor ähnlichen Erlebnissen?
Ich bin ein sehr ängstlicher Mensch, bin immer vorsichtig und zum Beispiel noch nie nachts mit der Bahn von einer Party nach Hause gefahren. Ich habe das Ganze damals aber stark auf diese eine Person bezogen und bin beruhigt, dass dieser Mann nun in der Psychiatrie ist, wo er hoffentlich Hilfe bekommt. Ich finde es wichtig, darüber zu sprechen, damit andere Frauen wissen, wie sie mit diesem Thema umgehen sollen. Nämlich besser übervorsichtig sein als zu leichtsinnig. Man hat immer auch ein Bauchgefühl. Selbst wenn der Kopf sagt, das kann doch nicht sein, sollte man auf den Bauch hören. Denn Menschen sind zu allem in der Lage.
Interview: Andrea Vodermayr